Der Kampf gegen multiresistente Keime ist realistisch mit Bakteriophagen, Viren, die wie in einem Schlüssel-Schloss-Prinzip nur Bakterien erkennen und angreifen können und für alle anderen Lebewesen ungefährlich sind. Die Natur ließ sich mit den Phagen ein geniales Prinzip zur Kontrolle der Bakterienmasse in der Biosphäre einfallen. Jeden Moment wird ca. ein Drittel der globalen Bakterienmasse einem “Turnover” unterzogen, d.h. durch jeweils spezifische Phagen aufgelöst, lysiert.
Ohne diese Kontrolle wäre unser Planet längst durch die Bakterienmasse erstickt.
Antibiotikaresistenzen.
Nur ca. 10% der Bakterienarten sind Krankheitserreger für Mensch oder Tier, der Rest ist nützlich oder lebt friedlich mit uns. Diese sogenannten Kommensalen, die bei geschwächten Menschen oder Tieren gefährlich werden, sind Ziel übertriebener Antibiotikaanwendungen der letzten Jahrzehnte und wurden zu unseren Feinden. Dabei warnte schon Alexander Fleming, Entdecker des Penicillins, in 1928 vor Antibiotikaresistenzen.
Antibiotika sind ein Segen in der Medizin, oft lebensrettend. Wo liegt das Problem? Die Antibiotika wurden in ihrer Molekülstruktur verändert, wirkungsvoller, breitbandiger gestaltet und es ist die schiere Menge, die binnen einiger Jahrzehnte zu großzügig verabreicht wurde. Die Bakterien wussten sich zu wehren und entwickelten bewundernswerte Resistenzmechanismen, viele Bakterien „sammeln“ diese Resistenzen geradezu und werden multiresistent.
Die weltweit ca. 1.3 Mio konkret durch Antibiotikaresistenzen verursachten Todesfälle in 2019 waren vergleichbar mit der Zahl der Todesfälle durch HIV und Malaria zusammen. Hauptverursacher in der Antibiotikakrise sind nur sechs Bakterienarten! Gegen sie ist eine Impfung nicht möglich, nur gegen Pneumokokken-Pneumonie. Infektionsforschung ist langwierig und teuer, die Pipeline für neue Antibiotika quasi leer, bis zur Markteinführung eines neuen Antibiotikums vergehen ca. 8 Jahre mit bis zu 1.4 Milliarden Euro Kosten.
Haben wir auch natürliche antibakterielle Waffen? Andere, die kein nachhaltiges Umweltproblem bergen, keine toxischen Nebenwirkungen haben, nicht allergen sind, unser Mikrobiom nicht (zer)stören und der Antibiotikakrise entgegnen können? Die Natur liefert sie uns auf dem Silbertablett und sie wurden ein Jahrzehnt vor dem Penicillin entdeckt und schon 1919 klinisch angewendet.
Phagentherapie statt Antibiotika.
Zurück zu den Phagen: Sie beweisen seit mehr als 100 Jahren großes Potenzial in der Behandlung bakterieller Infektionen. Wir haben durch die Antibiotika die Phagen vernachlässigt, nun werden sie teilweise lebensrettend, z.B.
bei Behandlung einer Sepsis, in der Prävention
bei immunsupprimierten Krebspatienten
zur Vermeidung bakterieller Schmierinfektionen einsetzbar (z.B. gegen Salmonellen, Listerien)
in der Nutztierhaltung, so gelängen weniger Antibiotika in unsere Nahrung
Im Science Talk erklärt die Mikrobiologin und Phagenexpertin Dr. Christine Rohde vom Leibniz-Institut DSMZ GmbH* in Braunschweig, wo die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der Phagen und der Phagentherapie sind und wohin der Weg zügig gehen sollte.
am Donnerstag, den 7. März 2024
um 18:30 Uhr
im phaeno Wissenschaftstheater, der Eintritt ist frei
Die Veranstaltungen werden hybrid in Präsenz und als YouTube-Livestream angeboten.
*als gemeinnützig anerkannt
Dr. Christine Rohde.
Dr. Christine Rohde studierte und promovierte in der Mikrobiologie in Göttingen, ist bereits seit 38 Jahren an der DSMZ und befasst sich fast so lange auch schon mit der Biologie der Phagen. Ihr Team hat sich zu einer der bekanntesten Phagen-Expertengruppen Deutschlands entwickelt. Der persönliche Forschungsschwerpunkt von Dr. Christine Rohde ist seit ca. 15 Jahren, das Potenzial der Phagen als Alternative zu Antibiotika in klinischen Projekten zu beweisen und am Zulassungsweg der Phagentherapie in Deutschland mitzuwirken.
Dr. Christine Rohde leitet das Kuratorium Klinische Phagen und gesetzliche Regulationen in der 2016 gegründeten Abteilung Bioressourcen für Bioökonomie und Gesundheitsforschung im Leibniz-Institut DSMZ.
Bildergalerie.
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